The Magic Circle S2E1 — Hallo, mein Name ist Michael Crichton und ich habe einen winzigen Penis: Solve for X, Wiki QI & mehr

Willkommen zur zweiten Staffel von The Magic Circle! Euch erwarten sechs neue Folgen mit neuen Spielen und alten Favoriten, neuen Kandidat*innen & Fan-Favorites (also allen aus Staffel 1 bekannten ;)).

In der ersten Folge spielen wir ein neues, viellleeeeeeicht etwas überkomplexes Trivia-Format, sowie unser aus Staffel 1 bekanntes Wikipedia-Quiz — mit einer neuen Runde über Wikipedias interessanteste Listen!

Holt euch den Season Pass und hört die ganze Staffel schon heute!

Hier findet ihr den RSS-Feed. Direkte Links für alle gängigen Plattformen gibt es hier.

June 24, 2023 podcast comedy magicircle magicircles2 gameshow deutsch trivia games quiz audio

Kommentare

The Magic Circle Season 2 startet am 25. Juni!

Lang, lang hat es gedauert, aber am 25. Juni ist es endlich soweit: The Magic Circle geht in die zweite Staffel! Sechs neue Folgen, alle zwei Wochen Sonntags.

Zur Auffrischung: The Magic Circle ist ein Podcast, den ich in den späten 90ern oder so1 gestartet habe — eine Audio-Gameshow, in der ich meine Freund*innen in albernen, selbstausgedachten Spielen gegeneinander antreten lasse. Die zweite Staffel sollte eigentlich letztes Jahr schon kommen, das hat aber nicht so geklappt, es hat sich einiges verändert in meinem Leben, andere Dinge waren zeitweise wichtiger und ich habe nicht so recht die Zeit gefunden, daran zu arbeiten, man kennt das.

Jetzt ist die Staffel aber endlich fertig, und ich bin wirklich stolz auf die neuen Folgen und kann kaum abwarten, sie euch zu hören zu geben! Den RSS-Feed und Links für die meisten gängigen Podcatcher findet ihr hier. Wenn ihr den Podcast bereits abonniert habt, prüft vielleicht kurz, ob ihr auch den aktuellen RSS-Feed — den hier — habt. Ich bin in der Zwischenzeit von einem kommerziellen Hoster zu einem selbstgehosteten Feed gewechselt, es sollte alles automatisch umgeleitet werden, aber kann sein, dass das nicht alles reibungslos klappt, ist jetzt alles Handarbeit hier.

Auch für diese Staffel gibt es wieder einen Season Pass: Für einmalig 5€ erhaltet ihr Zugriff auf einen exklusiven Feed, in dem ihr alle Folgen der neuen Staffel ab genau jetzt hören könnt, frei von »Werbung«2, und der euch Zugriff auf diverse Bonus-Inhalte gibt: Die Inhalte der ersten Staffel, darunter eine volle Bonus-Folge, sind schon im Feed, im Laufe der zweiten Staffel werden weitere hinzukommen.3 Hier könnt ihr den Season Pass kaufen.

Hier nochmal ein Teaser, den wir letztes Jahr veröffentlicht haben, mit einem meiner Lieblingsspiele aus der neuen Staffel:


  1. OK, 2021.↩︎

  2. …aka »frei von Verweisen auf den Season Pass«, weil den habt ihr dann ja schon.↩︎

  3. Die Bonus-Inhalte für Staffel 1 und 2 sind ein »Paket«, das heißt: Wer damals den Season Pass für Staffel 1 gekauft hat, muss diesmal nicht noch einmal zahlen, ihr solltet dann bereits eine Email mit dem Link zum neuen Feed bekommen haben. Wenn nicht, meldet euch unter .↩︎

June 9, 2023 podcast magicircle comedy gameshow improv magicircles2 deutsch audio

Kommentare

Sebastian Hotz’ Mindset: El Hotzos erster Roman hat nicht viel mehr Tiefe als ein Tweet

Beginnen wir diesen Text mit einem Geständnis: Ich wusste bis vor allzu langer Zeit gar nicht, wer El Hotzo ist. Ich glaube, es war während der Arbeit an der ersten Folge von Doomscroll’d, als die anderen eine Referenz auf den Social-Media-Star droppten und ich sie anstarrte, als würden sie sich in einer mir unbekannten Sprache unterhalten.1 Ich finde das noch immer faszinierend, dass jemand technisch gesehen berühmt sein kann, sogar berühmt in meiner spezifischen Bubble, und trotzdem komplett an mir vorbeigehen konnte.

Wie auch immer, mittlerweile weiß ich, wer El Hotzo ist, und grundsätzlich finde ich, das ist einer von den Guten. Niemand hat eine 100% Hitrate, aber Hotzos Tweets sind öfter lustig als nicht, und er hat das nahezu übermenschliche Kunststück geschafft, ein Wirtschaftsstudium zu absolvieren und trotzdem normal zu bleiben. Es bringt mir daher ehrlich keine Freude, zu sagen, dass Sebastian Hotz’2 kürzlich erschienener erster Roman, Mindset, nicht gerade nahelegt, dass Twitters 280 Zeichen Hotz in seinen Ausdrucksmöglichkeiten groß eingeschränkt hätten.

In Mindset geht es um Maximilian Krach, einen dieser Typen auf halbem Weg zwischen Influencer und Guru, die einsamen Männern zu erklären behaupten, wie sie aus ihrem eintönigen Leben ausbrechen und erfolgreich werden können, vom »Schaf« zum »Wolf« werden können, wie Maximilian es einigermaßen abgedroschen formuliert. Und es geht um Mirko, einen dieser einsamen Männer, und wie er sich, trotz der Bemühungen einer älteren Kollegin, von Maximillians Versprechen einlullen lässt. Die Pointe: Maximillians »Erfolg« ist genau so fiktional wie der der Typen, die seine »Seminare« besuchen, er arbeitet noch immer als Lieferant für Dominos, das angebliche Erfolgscoaching ist — auch, wenn die Beteiligten das zunächst nicht zugeben wollen — in Wahrheit eine Art Selbsthilfegruppe für Männer, die nicht wissen wohin sonst mit ihrer Unzufriedenheit mit ihrem Leben (Hotz liefert durchaus ein paar alternative Vorschläge, die seine Figuren tragischerweise ignorieren, etwa in Form eines Lieferantenkollegen, der versucht, Maximillian zum Besuch eines Gewerkschaftstreffens zu überreden).



Das ist alles irgendwie gut gemeint. Es bestätigt, dass Hotz im Großen und Ganzen »auf der richtigen Seite steht«. Und auch, wenn Hotz’ Prosa weitestgehend schmucklos ist, gibt es hier und da einen guten Gag (»Selbstverwirklichung ist etwas für Rapsongs und Menschen mit über zwanzigtausend Followern«), eine einprägsame Formulierung (»Der Beginn eines neuen Tages ist auch heute unvermeidbar«), oder eine kluge Beobachtung (»Einzig der Mensch hat im Zuge irgendeiner seiner zivilisatorischen Entwicklungsstufen beschlossen, dass der eigene Körper nicht die Instanz sein sollte, die über die richtige Schlafdauer bestimmt«).

Aber es ist alles zu unspezifisch, um auf irgendeiner anderen Ebene zu funktionieren, als dem*der Leser*in anerkennend auf die Schulter zu klopfen dafür, dass man, wie Hotz, durchschaut, was »solche Typen« wirklich antreibt. Man identifiziert Maximillian innerhalb einer Seite als »einen dieser Männlichkeits-Grifter«, Mirko als »einen dieser einsamen Typen, die auf sowas reinfallen«, und sie werden nie zu mehr als das: Sie sind Beispiele, die für einen Typ Mann stehen sollen, aber werden nie lebendig als eigenständige Figuren. Und das ist dann sogar für »solche Typen« einigermaßen oberflächlich, und ich weiß nicht, ob es Hotz’ Absicht ist, dass man sein Buch mit dem Gefühl verlässt, dass er etwas reduktiv in der Zeichnung seiner Figuren war, dass er ausgerechnet diesen Typen nicht ganz gerecht geworden ist.


  1. Dafür wussten die beiden nicht, wer dril ist. dril!↩︎

  2. So heißt »El Hotzo« wirklich, für diejenigen, die noch auf meinem Wissensstand ca. 2021 sind.↩︎

April 12, 2023 literatur buch el hotzo sebastian hotz rezension deutsch roman kritik text

Kommentare

The Fabelmans ist mehr als eine »Liebeserklärung an das Kino«

Es gibt ja kaum eine Art Film, die ich so sehr hasse, wie »Liebeserklärungen an das Kino« — besonders, wenn sie von »Altmeistern« gemacht werden, die seit 40 Jahren über nichts anderes als das Kino nachgedacht haben, wirken solche Filme auf mich oft selbstbeweihräuchernd und weltfremd. Entsprechend hatte ich meine Zweifel hinsichtlich Steven Spielbergs autobiographischem The Fabelmans, der bisweilen als genau solcher Film beschrieben wurde. Ich bin positiv überrascht, dass The Fabelmans ein anderer, interessanterer Film ist.

The Fabelmans ist ein Film darüber, wie der junge Sammy Fabelman (Gabriel LaBelle) seine Leidenschaft fürs Filmemachen entdeckt, ja. Der Film hat, natürlich, den Shot, den jede ~Liebeserklärung an das Kino~ haben muss: der Protagonist in seinem ersten Kinofilm, sein Gesicht beleuchtet vom Projektorlicht, staunend wie Ellie Satler beim Anblick der Dinosaurier. Auch auf Selbstzitate verzichtet Spielberg nicht, und man kann diesen Film durchaus als nostalgische Nabelschau gucken, als einen Film darüber, woher dieser große Künstler ~seine Ideen hat~; man kann zuschauen, wie Sammy und seine Freunde durch die Straßen der Vorstadt radeln, sich an E.T. erinnern und denken, »Ahh, daher kommt das also«.

Viel interessanter aber ist, wie Spielberg auch konfrontiert, was es kosten kann, sein Leben der Kunst zu verpflichten. In einer Sequenz werden die Fabelmans von Sammys Onkel Boris (Judd Hirsch) besucht, einem ehemaligen Löwenbändiger, der Sammy prophezeit, dass seine Obsession mit dem Filmemachen Opfer verlangen wird: »Art will give you crowns in heaven and laurels on Earth, but also, it will tear your heart out and leave you lonely.« Sammy liebe die Menschen in seinem Leben, ja, aber er würde die Kunst immer mehr lieben, behauptet Boris, und während Sammy das vehement abstreitet, geben das Drehbuch von Spielberg und Tony Kushner und Spielbergs Inszenierung Boris recht. In einer der herzzereißendsten Szenen des Films sieht Sammy in dem Moment, in dem sein Vater Burt (Paul Dano) den Kindern die Trennung von Mutter Mitzi (Michelle Williams) offenbart, während die Schwester schreit und weint, im Wandspiegel eine Vision seiner selbst, wie er das Geschehen teilnahmslos mit der Kamera einfängt und sieht, vielleicht, ein, dass sein Onkel Recht hatte. Die Einstellung von Sammys entsetztem Gesicht in dieser Szene ist sowas wie der Gegenpart zu der Einstellung des staunenden Sammy im Kino, und die lange Reihe von Einstellungen staunender Gesichter in Spielbergs Werk — bekanntlich ein Markenzeichen seiner Arbeit — scheint plötzlich wie bloßer Setup für diese eine herzzereißende Pointe.



Spielberg glorifiziert dabei weder den »tortured artist«, noch beweint er das tragische Schicksal des zur Kunst berufenen. Er ist lediglich ehrlich über die Entscheidungen, die er auf seinem Weg zum Filmemacher getroffen hat, und über deren Konsequenzen, über den Grad an Egoismus auch, der nötig war, diese Entscheidungen zu treffen. Und so verdient sich der Film auch, mehr als die durchschnittliche »Liebeserklärung an das Kino«, seine Momente des Triumphes und der Freude, die das Filmemachen Sammy bringt.

Auf einer universelleren Ebene ist The Fabelmans auch ein Film darüber, wie Sammy erkennt, dass seine Eltern echte Menschen, mit ihren eigenen Wünschen und Bedürfnissen sind, die über »Eltern für Sammy und seine Geschwister sein« hinausgehen. Seth Rogens »Onkel« Benny wird uns zunächst als Familienfreund vorgestellt, stellt sich aber bald als mehr heraus, als jemand, mit dem Mitzi eine (mindestens emotionale) Affäre hat. Sammy erfährt davon — auch deshalb, weil er mit seiner Kamera Momente einfängt, die er sonst wohl übersehen hätte —, und wie sich daraufhin die Beziehung zu seiner Mutter entwickelt, ist eines der interessantesten und berührendsten Elemente des Films: Zunächst wütend auf seine Mutter, erkennt Sammy nach und nach eine Parallele zwischen ihrer Liebe zu Benny und seiner Leidenschaft fürs Filmemachen. Für beide gibt es etwas, das ihnen wichtiger ist als die Liebe zu ihrer Familie, und beide folgen letztlich ihrem Impuls, im Bewusstsein, dass es eine egoistische Entscheidung ist.

Interessant auch, wie der Film mit dem Verhältnis von Erinnertem und Ausgedachtem spielt. Alles fühlt sich irgendwie gleichzeitig echt, erinnert und hochartifiziell an. Figuren benehmen sich wie echte Menschen, sprechen mehr oder weniger naturalistische Dialoge im einen Moment und halten scheinbar vorbereitete Reden, die Sammy irgendeine wichtige Lektion fürs Leben erteilen, im nächsten. Szenen wie die gegen Ende des Films, in der Sammy von seinem Bully konfrontiert wird, müssen ziemlich direkt aus Spielbergs Erinnerung kommen (nur echte Menschen verhalten sich so rätselhaft und erratisch), doch in derselben Szene lässt Spielberg seine Figuren so explizit wie nirgendwo sonst im Film »in die Kamera zwinkern« (vielleicht, sagt Sammy, macht er irgendwann einen Film hierüber). Spielberg erzählt mit The Fabelmans »seine eigene Geschichte«, aber erinnert uns immer wieder, dass diese Geschichte genauso viel Bullshit enthält wie jeder seiner anderen Filme — aber gleichzeitig ist es genau in diesem Bullshit, in den am offensichtlichsten ausgedachten oder zumindest geschönten Momente des Films, wo Spielberg am meisten von sich zu offenbaren scheint, wo am meisten einer anderen, tieferen Art von »Wahrheit« steckt.

March 29, 2023 film review kritik steven spielberg deutsch text

Kommentare

Für Kino-Zeit habe ich endlich zum ersten Mal Titanic gesehen — hier klicken für meinen Hot-Take

February 9, 2023 text

Kommentare

Now Is Not the Time to Panic: Kevin Wilsons berührender Coming-of-Age-Roman parodiert die »Satanic Panic«

Ende 2019 las ich Kevin Wilsons Nothing to See Here, und seitdem macht Lesen mir ein bisschen weniger Spaß. Vielleicht war es das richtige Buch zur richtigen Zeit, vielleicht liegt es daran, dass es eins der letzten Bücher war, die ich vor der Pandemie zu Ende gelesen habe, vielleicht ist es einfach wirklich so gut — wahrscheinlich ist es eine Kombination aus all dem. Jedenfalls: Seitdem ist, ohne Übertreibung, keine Woche vergangen, in der ich nicht an Wilsons Buch gedacht habe, und kein Buch, das ich seitdem gelesen habe, hatte einen ansatzweise vergleichbaren Effekt.1

Nothing to See Here erzählt von Lillian, die zu Beginn ein ziemlicher Fuck-Up ist, und die dann von ihrer alten Schulfreundin Madison angeheuert wird, sich um die Kinder von Madisons Mann aus früherer Ehe zu kümmern. Die beiden Kinder haben die seltsame Eigenschaft, wenn sie aufgeregt oder wütend werden, in Flammen auszubrechen.

Das ist, finde ich, eine ziemlich grandiose Idee für einen Roman. Es ist aber auch die Sorte Idee, die oft zu Enttäuschungen führt. Derlei High-Concept-Prämissen halten selten, was sie versprechen — zu einfach ist es für Autor*innen, sich darauf auszuruhen, sich auf die Quirkyness, die eine solche Prämisse mit sich bringt, zu verlassen und wenig darüber hinaus anzubieten.

Aber Wilsons Roman hält, was die Prämisse verspricht — und viel mehr: Ich hätte von diesem Roman keinen so nuancierten, berührenden Blick auf Elternschaft erwartet, und keine so schonungslose Darstellung der Traumata, die Eltern in ihren Kindern auslösen können. Alles gefiltert durch die spezifische Perspektive Lillians, eine der eigenartigeren, unvergesslicheren Erzählstimmen, denen ich in den letzten Jahren begegnet bin.

Will sagen: Meine Hoffnungen für Wilsons kürzlich erschienenen neuen Roman Now Is Not the Time to Panic waren groß. Kann der Roman diese Hoffnungen erfüllen? Nein — ich mein, natürlich nicht, wahrscheinlich waren meine Hoffnungen ein Bisschen zu groß. Aber das heißt nicht, dass Now Is Not the Time to Panic für sich genommen nicht trotzdem lesenswert wäre.

Es geht um Frankie, die in der Kleinstadt Coalfield, Tennessee aufwächst, dort eine ziemliche Außenseiterin ist und sich furchtbar langweilt. Bis sie, im Sommer 1996, Zeke kennenlernt, der nach der vorläufigen Trennung seiner Eltern mit seiner Mutter aus Memphis zu seiner Großmutter gezogen ist. Zeke und Frankie sind angehende Künstler*innen — sie Autorin, er Zeichner —, und entscheiden, zusammen Kunst zu produzieren. Sie entwerfen ein Poster mit einer Zeichnung von Zeke und einem Slogan von Frankie: »The edge is a shantytown filled with gold seekers. We are fugitives, and the law is skinny with hunger for us.« Zeke und Frankie hängen Kopien des Posters überall in Coalfield auf, und lösen damit etwas aus, was später als »Coalfield Panic« bekannt wird, Wilsons Parodie auf die »Satanic Panic« der 80er Jahre: Medien spekulieren wild über den*die Urheber*in des Posters, angebliche Exptert*innen dichten satanische Hintergründe dazu, Menschen fertigen ihre eigenen Varianten des Posters an, Touristen pilgern nach Coalfield. Sogar einige Tote gibt es. 20 Jahre später wird Frankie, mittlerweile eine erfolgreiche Jugendbuchautorin, von einer Reporterin kontaktiert, die herausgefunden zu haben glaubt, dass Frankie die Urheberin des Posters war, und sie überzeugen will, ihre Geschichte in einem Interview zu erzählen.

Wilson hat zwei große Stärken als Autor. Die erste ist sein Gespür für spezifische, aber glaubhafte Details: vom »Meet Cute« der Protagonist*innen bei einer bizarren, brutalen Tradition im örtlichen Schwimmbad, bis zu den spezifischen popkulturellen Reaktionen, die Frankies und Zekes Poster auslöst, etwa einen SNL-Sketch, »where it turned out that Harrison Ford was putting up the posters, though he blamed it on a one-armed man«, oder ein »twenty-seven-song concept album by the Flaming Lips called Gold-Seekers in the Shantytown«.

Wilsons andere große Stärke in Now Is Not the Time to Panic — wie auch schon in Nothing to See Here — ist die Erzählstimme. Frankies Ich-Erzählung hat einen ebenso einzigartigen Sound wie Lillians im Vorgänger. Ihre Gedankengänge und die Metaphern und Sprachbilder, die Wilson ihr in den Mund legt, wirken, als hätte Wilson sie irgendwo aufgeschnappt und mitgeschrieben, es sind die Sorte eigenartiger Gedanken und schiefer Vergleiche, die Menschen im echten Leben ständig denken und von sich geben, aber die sehr, sehr schwierig glaubhaft zu schreiben sind.

Das beste Beispiel für beides, Wilsons Blick für einprägsame Details und starke Erzählstimme, sind natürlich die Worte selbst, die Frankie auf das Poster schreibt: »The edge is a shantytown filled with gold seekers. We are fugitives, and the law is skinny with hunger for us.« Es bedeutet überhaupt nichts, aber man kann sich vorstellen, wie Menschen allerlei Bedeutung hineinlesen können, und das macht die »Coalfield Panic« um einiges glaubwürdiger.2 In weiten Teilen ist der Plot von Now Is Not the Time to Panic vorhersehbar, aber zusammen machen diese Stärken Wilsons Geschichte einprägsamer als den durchschnittlichen Coming-of-Age-Roman.

Wilson hat in verschiedenen Interviews darüber gesprochen, wie sein Tourette seine Arbeit beeinflusst, wie er die intrusive thoughts, die verstörenden Bilder und Gedanken, die sich in seinem Kopf festsetzen, zur Inspiration für sein Schreiben nimmt, und wie er seine Gedankenschleifen als eine Art Schreib-»Werkzeug« nutzt:

[O]ne of the things that helped me creatively is if I know something’s coming back, if I can hold it in my head, I can let it go knowing it’ll come back. And when it comes back, I can do something slight to alter it. And then it’ll come back again. That’s how I tell stories. I tell it in my head over and over and over again, and each time it gains a little depth, a little more nuance.

In Now Is Not the Time to Panic lässt sich dieser Einfluss sehr direkt daran festmachen, dass auch Frankie solche Gedankenschleifen hat, dass sie die Phrase wie eine Art Mantra wiederholt, dass sie gedanklich immer wieder diesen Sommer mit Zeke durchlebt. Und vielleicht ist Wilsons Neurodivergenz und die damit verbundene Arbeitsweise und Perspektive auch ein Grund dafür, warum Now Is Not the Time to Panic im Gedächtnis bleibt, warum diese oberflächlich betrachtet vorhersehbare, oft erzählte Geschichte sich spezifisch und unverbraucht anfühlt. Now Is Not the Time to Panic wird keinen erneuten dreijährigen Lesehangover bei mir auslösen, und es ist zweifelsohne ein weniger vielschichtiges Buch als Nothing to See Here. Aber eines der unterhaltsameren und berührenderen Bücher, die ich im vergangenen Jahr gelesen habe, ist es trotzdem.


Danke fürs Lesen! Um keine weiteren Texte zu verpassen, abonniere mein Blog am besten per RSS oder Email:

Ich möchte…



Wenn dir meine Arbeit gefällt, freue ich mich über eine kleine Unterstützung via Ko-Fi. Das geht ohne Anmeldung, Du brauchst lediglich einen PayPal-Account:


  1. Ich hätte mich in der Zeit natürlich durch Wilsons bisherige Bibliographie lesen können, aber außer ein paar (sehr guten!) Kurzgeschichten aus Baby, You’re Gonna Be Mine habe ich darauf vorerst verzichtet, weil zu viele interessante neue Bücher erscheinen und, keine Ahnung, ich das Gefühl mag, diese Bücher in der Hinterhand zu haben für den Moment, wenn ich sie brauche (was immer das heißt) oder so.↩︎

  2. Tatsächlich hat Wilson diesen Satz einmal von einem alten Freund gehört, der später an Covid gestorben und dem das Buch gewidmet ist. Aber man muss halt erstmal ein Ohr für solche Sätze haben, und Charaktere schreiben können, denen man sie glaubhaft in den Mund legen kann,.↩︎

January 10, 2023 buch review rezension kritik kevin wilson nothing to see here literatur deutsch text

Kommentare