in dieser Ausgabe: das Reboot meines Newsletters, das Scheitern von Spotifys Exklusiv-Podcast-Strategie und der Einheitslook moderner Horrorfilme
Liebe Leser*innen,
willkommen zur ersten Ausgabe der neusten Version meines Newsletters! Es wird hier in Zukunft wieder etwas lebhafter zugehen — Details dazu, warum und was euch erwartet und so, im Folgenden. tl;dr etwas weiter unten. Noch weiter unten dann auch echte Inhalte.
Housekeeping
Bis vor Kurzem wurde dieser Newsletter über Feedpress betrieben, als ein simpler RSS-to-Email-Automatismus. Ich war mit Feedpress lange glücklich, habe es sogar mal empfohlen, aber in letzter Zeit wurde mein Newsletter mit Spam-Abos geflutet, wofür Feedpress offenbar keinen effektiven Filter hat. Ich war auch nie wirklich zufrieden mit dem Kundenservice bei Feedpress, auch, wenn ich ihn glücklicherweise selten brauchte.
Parallel dazu beobachte ich das schrittweise Ende von Twitter, nutze die Plattform selbst (spätestens seit dem Ende von 3rd-Party-Clients) weniger und weniger, und trauere gleichzeitig meinen über die Jahre erarbeiteten, respektablen etwa 800 Follower*innen dort nach. Meine Status-Updates poste ich ja schon länger in erster Instanz auf micro.blog, von dort werden sie dann zu Mastodon und so lange das noch geht zu Twitter syndiziert. Aber in letzter Zeit wuchs auch mein Bedürfnis, mir eine Follower*innenschaft aufzubauen, die einigermaßen unabhängig vom Bestehen dieser oder jener Social-Media-Plattform ist, die möglichst portabel ist und die idealer Weise Interesse an dem hat, was mir am wichtigsten ist, nämlich meinem Schreiben. Sowas funktioniert nach wie vor am besten via RSS und Email.
Nun habe ich kürzlich mitgekriegt, dass Buttondown mittlerweile auch eine RSS-to-Email-Funktion hat. Von Buttondown bin ich schon lange irgendwie Fan, ich hab das damals ja im selben Text wie Feedpress ebenfalls als Substack-Alternative empfohlen, aber für meine Zwecke war es nie ganz das richtige — vor allem wegen dem Fehlen ebendieser Funktion.
Jetzt schien mir also der richtige Zeitpunkt für einen Wechsel, und das gibt mir auch Gelegenheit, meinem Newsletter, der jetzt eine Weile lang eher so ein automatisiertes Anhängsel meines Blogs war, wieder ein Bisschen Aufmerksamkeit zu schenken. Ich hatte das schonmal eine Weile gemacht, so zu den Anfangszeiten der Pandemie, zusätzlich zum Blog ein regelmäßiges Email-Update zu schicken, und ich hab in letzter Zeit gemerkt, dass ich das ein Bisschen vermisse: Es gibt hin und wieder so Dinge, wozu ich gerne so aus der Hüfte geschossen ein Bisschen was sagen würde, vielleicht auch mehr als in einen Tweet/Toot/whatever passt, oder Texte, Videos o.ä., die ich gern empfehlen und kurz kommentieren würde, oder Filme, Bücher etc., zu denen ich gerne kurz was sagen würde, abe rkein ganzes Review schreiben will, oder Verweise auf anderes Zeug, das ich mache — halt Dinge, die ich meinen Leser*innen gerne mitteilen würde, womit ich aber nicht mein für schöne, durchdachte Texte gedachtes Blog füllen will. Und ich würde einfach gerne wieder etwas persönlicher mit den Menschen kommunizieren, die auf meiner Email-Liste stehen als nur über automatisierte Emails. Mit meinem bisherigen Setup war das ein Bisschen problematisch, schon möglich, aber es brauchte einiges an Gefrickel und manuellem Verwalten meiner Listen. Jetzt habe ich einen Email-Service, der beides kann, RSS-to-Email und handgeschriebene Newsletter, und das will ich nutzen. Ich weiß noch nicht, welche Frequenz das ganze letztlich haben wird, und wie lange ich durchhalte sowieso nicht, muss ich halt einfach ausprobieren. Der Rest dieser Email gibt aber schonmal einen Eindruck, wie das ganze aussehen könnte.
tl;dr: Dieser Newsletter wird zukünftig wieder etwas aktiver werden, und zusätzliche Inhalte neben meinen Blog-Texten enthalten. Wer nur eines von beidem erhalten will — nur Benachrichtigungen über neue Posts oder nur den Newsletter — kann entweder auf diese Email antworten und Bescheid sagen (kurzes Stichwort »nur X« reicht) oder das Abo kündigen und hier neu abonnieren und auswählen, was ihr möchtet.
Was ich in letzter Zeit so gemacht habe
- Für Kino-Zeit habe ich zum ersten Mal überhaupt Titanic gesehen. Der entstandene Text ist ganz hübsch geworden, denke ich: Es geht unter anderem um das Fehlen von Romantik und Erotik im aktuellen Blockbuster-Kino, ein Thema, über das ich eventuell mal ausführlicher schreiben will.
- Ich war zu Gast im Tales of… Podcast von meiner Improv-Teampartnerin Jan. Tales of… ist ein Actual-Play-Podcast, wir spielen eine Runde »Lasers & Feelings«. Der erste Teil ist raus, der zweite folgt bald. Hört auch mal in den regulären Podcast rein, es lohnt sich.
Podcasts & »Enshittification«
»Podcasts are hearteningly enshittification resistant«, schrieb Cory Doctorow kürzlich in seinem sehr lesenswerten Newsletter Pluralistic. »Enshittification« erklärt er dabei so:
In the enshittification cycle, a platform lures in users by giving them a good deal at first, then it lures in business customers (advertisers, sellers, performers) by shifting the surplus from users to them; finally, it takes all the surplus for itself, turning the whole thing into a pile of shit[.]
(ausführlicher hatte Doctorow den Prozess zuvor am Beispiel von TikTok erklärt)
Spotify, darüber habe ich ja schonmal geschrieben, würde den Begriff »Podcasting« gerne neu definieren, weg von einem unabhängigen, nach offenen Standards erstellten und daher plattformagnostischen Medium, hin zu einer Art von Exklusivcontent für Streaming-Plattformen. Enshittification wäre da ein unvermeidlicher Nebeneffekt. Wie Doctorow schreibt, scheinen Spotifys Pläne aber — zumindest in Teilen, zumindest bis jetzt — nach hinten loszugehen:
Where others were cautious, Spotify was reckless. It bought popular podcasts and podcast networks, then severely enshittified their programs by locking them inside Spotify’s walled garden. Audience numbers plummeted, demoralizing podcast creators who were uninterested in the future date when Spotify and its Magic Underpants Gnomes would figure out how to wring more money out of the tiny cohort that stuck around.
Today, podcast advertising rates are falling off a cliff. Short on users and ad dollars, Spotify’s enshittification plan is looking like a self-inflicted wound. Even the Obamas cancelled their deal and switched to Audible, a monopolist that leads the world in enshittification but who had the good sense not to make its podcasts platform-exclusive[.]
In einem Newsletter für Semafor schlägt Max Tani in eine ähnliche Kerbe. Er nennt Spotify eine »one-company podcast bubble«. Die Strategie, Podcasts exklusiv auf der eigenen Plattform statt über offene RSS-Feeds zu veröffentlichen, sei »internally divisive«. Und die Strategie von Spotifys ehemaliger »Chief Content Officer« Dawn Ostroff, vor allem auf Deals mit Celebritys zu setzen, scheiterte offenbar an einem Publikum, das am Ende dann doch lieber gute Inhalte als große Namen hätte:
People familiar with Spotify’s numbers said Michelle Obama, TikTok star Addison Rae, and Kardashian’s podcasts were initially successful, but churned users quickly after the first few episodes, rather than developing loyal audiences.
Und sogar Spotifys Deal mit Joe Rogan, dessen Podcast The Joe Rogan Experience zu den erfolgreichsten der Welt gehörte, bevor er spotify-exklusiv wurde und so unweigerlich Hörer*innen verlor, scheint in Gefahr:
Some insiders speculate that Rogan could choose not to renew his deal when it ends later this year and go independent or sign with another audio company. His ties to the company have frayed: Courtney Holt, the executive who recruited Rogan, is no longer with Spotify. And although he reportedly has a strong clause in his contract protecting his ability to say whatever he wants, Rogan said publicly that the vaccine comments nearly prompted the company to end their relationship.
Im Januar machte Tyler Aquilina in Variety eine Prognose:
If it’s still too early to declare platform-exclusive podcast deals dead as we move into 2023, it’s becoming ever clearer that this business model is likely not long for this world.
Ich wäre ein Bisschen vorsichtiger, ich glaube, Spotify und andere werden sich noch eine ganze Weile an ihr scheiterndes Business-Model klammern und ähnlich verzweifelte Versuche, das Ruder rumzureißen, anstellen, wie es derzeit etwa Netflix für sein gescheitertes Business-Model tut. Auch Doctorow warnt:
The drive to enshittify, unfettered by regulation or competition, has allowed many of the world’s largest, stupidest tech companies to unhinge their jaws and tempt podcast makers and listeners to traipse blithely onto their slathering tongues. They were always going to snap their jaws shut eventually — just because Spotify lacked the executive function to wait for a fully ripened enshittification before biting down, it doesn’t mean we’re out of the woods.
Dennoch: Es ist, in der Tat, »heartening«, zu sehen, wie das Publikum die »Enshittification« von Podcasts ablehnt. »Podcasting is an open technology built out of open technologies. We have damned few of those left.«, schreibt Doctorow. Es deutet einiges darauf hin, dass Podcasts für eine Weile genau das bleiben werden. You love to see it.
Meine eigenen Podcasts sind seit Kurzem übrigens auf meinem eigenen Linux-Server gehostet, mit Hilfe der kostenlosen, fediverse-angebundenen, Open-Source-Software Castopod. Wer das (überschaubare) nötige technische Know-How hat, diesen Weg zu gehen, dem kann ich das empfehlen.
Warum sehen alle aktuellen (Horror-)Filme gleich aus?
Haley Nahman schreibt in ihrem Newsletter über M3GAN:
I walked out of the theater with a vaguely empty feeling. I couldn’t quite place it until I started talking with my friends about where the movie was set, and I realized I had no idea. One answer is somewhere in Silicon Valley, given its bald critique of big tech. It didn’t actually feel like Silicon Valley, though. It didn’t feel like anywhere at all.
Davon ausgehend beschreibt sie eine Art Einheitslook dem viele aktuelle Produktionen folgen:
That is, more flat, more fake, over-saturated, or else over-filtered, like an Instagram photo in 2012, but rendered in commercial-like high-def. This applies to prestige television, too. There are more green screens and sound stages, more CGI, more fixing-it-in-post. As these production tools have gotten slicker and cheaper and thus more widely abused, it’s not that everything looks obviously shitty or too good to feel true, it’s actually that most things look mid in the exact same way. The ubiquity of the look is making it harder to spot, and the overall result is weightless and uncanny.
Nahman verweist auf einen Text in Vice von Gita Jackson mit dem Titel »Why Does Everything On Netflix Look Like That?«, und nennt diesen visuell uninspirierenden Look den »Netflix Shine«. Ihr Text ist lesenswert, und der Verweis auf Netflix als wichtigen Einfluss für diesen Look ist richtig. Mir fehlt allerdings das Nennen eines anderen Schuldigen, besonders wenn es um aktuelle Horrorfilme wie M3GAN geht: Blumhouse. Das Studio versucht seit ein paar Jahren (ziemlich erfolgreich) eine Version des MCU-Modells auf das Horrorgenre anzuwenden — weniger im Sinne eines filmübergreifenden Universums (was aber noch kommen soll), als in dem Sinne, dass das Studio selbst als die wiedererkennbare Marke und in gewisser Weise als der »Autor« des Films etabliert werden soll. Und dazu gehört auch ein einheitlicher Look, der dem »Netflix Shine« sehr ähnlich ist. Blumhouse’ Erfolg ist sicher ein weiterer Grund, warum gerade so viele aktuelle Horrorfilme visuell so uninteressant sind.
Vor einer Weile habe ich Frank Henenlotters 1982er Basket Case gesehen. Der Film ist low-budget, exploitation-adjacent und einigermaßen trashy, aber sein Look ist, aus heutiger Perspektive, ein erfrischender Kontrast zum glossy, unspezifischen Netflix Shine: Das New York des Films, gefilmt in 16mm, ist schmutzig und gefährlich und doch irgendwie charmant; es ist die spezifische Atmosphäre eines echten Ortes, den Henenlotter aus seiner ganz eigenen Perspektive eingefangen hat. Etwas, was ich im aktuellen Horrorkino vermisse, und dessen Fehlen mir sogar den Spaß an eigentlich ja ganz unterhaltsamen Filmen wie M3GAN verdirbt.
Was ich in letzter Zeit so gesehen/gelesen/whatever habe
- Die Tage habe ich mal wieder Terms of Endearment gesehen, und ich glaube, kein anderer Film trifft so perfekt das Ideal der Art Film, die ich im aktuellen Kino am meisten vermisse: mid-budget Filme für Erwachsene, über normale, erwachsene Menschen, Filme, die sich nicht auf eine Tonalität festlegen lassen, die keiner Formel folgen, nicht am Marketing-Reißbrett konstruiert sind, aber dennoch ein möglichst breites Publikum ansprechen wollen. Heute würde so ein Film bestenfalls auf Netflix erscheinen.
- Der Criterion Channel — der einzige gute Streaming-Anbieter — hat kürzlich eine Sammlung von Mike Leighs frühen Filmen für die BBC veröffentlicht. Ich habe Nuts in May gesehen, und ich glaube, das ist aus dem Stand einer meiner liebsten Leigh-Filme: Ich mag so ziemlich alles, was ich von Leigh bisher gesehen habe, aber das hier ist der erste seiner Filme, den ich wirklich laugh-out-loud lustig finde. Der Film hat mich, mit seinen überzeichneten, aber dennoch lebensechten (und allesamt grandios gespielten) Figuren und seinen Szenen, die ein klar erkennbares, konsequent verfolgtes Game haben, an die besten Filme von Christopher Guest erinnert.
- Ich habe gerade eine Art Lese-Glückssträhne, ich habe in letzter Zeit so viele hervorragende Bücher gelesen, dass ich wohl nicht die Zeit haben werde, zu allen ausführliche Reviews zu schreiben. Ein paar Highlights im Schnelldurchlauf, vielleicht kommt dazu noch ausführlicher was, vielleicht auch nicht: The Mountain in the Sea von Ray Naler ist ein Sci-Fi-Thriller über eine Gruppe von Wissenschaftler*innen, die eine intelligente Spezies von Oktopussen erforschen, die anscheinend Sprache und Kultur entwickelt haben. Es geht um Intelligenz, Bewusstsein, Kommunikation, große philosophische Fragen, aber alles verpackt in einen echten Page-Turner. In One’s Company von Ashley Hutson gewinnt eine traumatisierte junge Frau im Lotto, und nutzt den Gewinn, die Welt der Sitcom Three’s Company zu rekonstruieren und dort, nacheinander in der Rolle jeweils einer der Figuren, ihr Leben zu verbringen. Es ist ein Bisschen Synechdoche, New York, aber weniger clever-um-der-Cleverness-willen, mit einer faszinierend-abgefuckten Hauptfigur. Und Grady Hendrix’ How to Sell a Haunted House ist eine clevere, selbstironische Haunted-House-Geschichte, die bei aller self-awareness dennoch einen aufrichtigen emotionalen Kern über Trauer und eine komplizierte Geschwister-Beziehung hat.
sonst so?
Ach so, eine weitere Neuerung: Man kann meine Arbeit jetzt auch direkt über diesen Newsletter unterstützen. Man muss ja mit der Zeit gehen, und Leute scheinen dieses Substack-Ding zu mögen. Ko-Fi geht aber selbstverständlich auch noch, und mir ist das eigentlich egal. Die Unterstützung ist freiwillig, alle meine Inhalte sind zumindest derzeit offen verfügbar.
Danke fürs Lesen!
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