in dieser Ausgabe: dril unmasked & was an Mastodon nervt

Liebe Leser*innen,

hinter mir liegt eine anstrengende, aber schöne Woche, die vor allem von Improv-Proben und -Auftritten und anderem, nun, Offline-Kram dominiert war. Entsprechend leer ist meine Lesezeichen-Sammlung mit interessanten Links und Themen für diesen Newsletter, was ein seltenes Problem für mich ist. Ein Bisschen was habe ich aber natürlich schon mit euch zu teilen. Here we go:

Was ich diese Woche so gemacht habe

  • Ich habe drei Improv-Shows gespielt (eine mehr als ursprünglich geplant), von denen zwei sehr gut liefen.
  • Ich habe ein kurzes Review zu Sebastian Hotz’ erstem Roman Mindset veröffentlicht. El Hotzos Debüt ist leider eine Enttäuschung. Im Review kommt auch kurz dril vor, was eine gute Überleitung zum ersten Text ist, den ich diese Woche empfehlen möchte:

dril unmasked

Kann es ein deutlicheres Zeichen dafür geben, dass das Ende von Twitter naht? Paul Dochney aka dril hat Nate Rogers von The Ringer ein Interview gegeben, das nicht das erste Mal ist, dass er seine wahre Identität preisgibt, aber vielleicht das erste Mal, dass er wirklich als »Paul Dochney« spricht, nicht in der dril-Persona.

dril, für die unwissenden, ist eine Twitter-Ikone. Wenn »Posting« eine literarische Gattung ist, ist dril ihr Meister. Wie Rogers in seinem Profil schreibt:

Active since 2008, the Dril account—simultaneously known by the profile name Wint”—with its grainy Jack Nicholson avatar, has been responsible for countless viral posts, just as beloved for the vivid scenes they induce as for the baffling grammatical and spelling errors they contain.[…] [T]o a large sect of the Very Online, he is king—the undisputed poet laureate of shitposting, the architect of a satire so effective that it has become impossible to tell when Dril stopped mocking the way people speak online and when we, instead, started speaking like Dril online.

Für eine Einführung in sein Schaffen empfehle ich diesen Twitter-Thread.

So absurd das vielleicht klingt, aber ich halte dril wirklich für einen Großen, Ernstzunehmenden Künstler, und es ist eine interessante Frage, was mit ihm passieren wird, jetzt, wo Twitter mehr und mehr an Relevanz verliert. »Posting is not something you want to do forever«, sagt Dochney im Interview, und man wünscht ihm, dass sein Erfolg langlebiger ist als die Plattform, auf der er begonnen hat. Mit einer Patreon-Seite, selbstverlegten Büchern, Live-Shows und einer kurzlebigen Adult-Swim-Show versucht er auch schon seit einer Weile, auch über die Plattform hinaus ein Publikum für seinen spezifischen Humor zu gewinnen. Dennoch ist sein Erfolg eng mit Twitter verbunden, und es ist so schwierig, sich dril ohne Twitter vorzustellen, wie ein Twitter ohne dril.

Es ist auch interessant, Figuren wie dril im Kopf zu behalten, wenn man über die diversen Plattformen nachdenkt, die derzeit als mögliche »Twitter-Alternativen« im Gespräch sind. Kann es etwa jemals einen »dril von Mastodon« geben, oder macht das Design von Mastodon, das absichtlich nicht vorsieht, dass jemand plattformweit »viral gehen« kann, so etwas unmöglich? Ist im Fediverse Raum für Shitposting, oder gibt’s das nur auf dem tumblr-inspirierten Cohost (die nach meinem Gefühl bislang »shitposting-freundlichste« der neuen Social-Media-Plattformen)?

ein Nachruf auf den besten Twitter-Client

Apropos Twitter: Für The Verge hat Rob Dubbin einen netten Text über das Ende von Tweetbot geschrieben, und den Pivot der Entwickler zu Ivory, ihrem neuen Mastdon-Client.

Tweetbot war, was, 10 Jahre(?) lang mein bevorzugter Twitter-Client, und seit ich die Beta-Version von Ivory, die in Teilen auf demselben Code wie Tweetbot basiert und das Interface weitestgehend übernimmt, auf meinen Geräten installiert habe, macht mir die Interaktion mit Mastodon deutlich mehr Spaß. Bislang macht Ivory allerdings nicht viel mehr, als die Tweetbot-User-Experience auf Mastodon zu übertragen — viele spezifische Funktionen, die Mastodon bieten könnte, fehlen noch (etwas das Erkunden anderer Instanzen als der eigenen). Ich bin gespannt, ob und wie die Entwickler solche Funktionen implementieren.

Interessant wird auch, zu sehen, ob Apps wie Ivory einen Einfluss auf die Entwicklung von Mastodon haben werden, so wie 3rd-Party-Clients die Entwicklung von Twitter beeinflusst haben. Es ist natürlich eine andere Ausgangssituation — theoretisch kann jede*r, der*die das technische Know-How hat, gewünschte Änderungen für Mastodon selbst auf seiner eigenen Instanz implementieren; aber dennoch gibt es natürlich einen weitgehend akzeptierten Standard, und 3rd-Party-Apps könnten diesen beeinflussen (ich frage mich etwa, wann die erste ein »Quote Tweet«-ähnliches Feature implementiert, und wie lange es dann dauern wird, bis es ein »offizielles« Mastodon-Feature wird).

Was an Mastodon (noch?) nervt

Apropos Mastodon: Auch, wenn ich mich immer mehr mit der Plattform anfreunde und Fan von den Prinzipien dahinter bin, gibt es doch einiges, das mich an der dominierenden Kultur von Mastodon stört. Andy Bell hat einige dieser Störfaktoren gelistet, die ich fast alle so unterschreiben würde. Unter anderem schreibt er:

There always seems to be a weird atmosphere which I can’t put my finger on. I think it’s caused by an extreme effort to keep it pleasant and not like Twitter

Und es erleichtert mich wirklich, zu lesen, dass noch jemand außer mir die Atmosphäre auf Mastodon so empfindet. Ich frage mich, ob das auch einer der Gründe ist, warum die Shitposting-Kultur auf Mastodon noch zu Wünschen übrig lässt?

mehr zu Substack Notes (und bald noch mehr)

Ich hatte ja kurzzeitig gehofft, dass ich das Thema »Substack Notes« mit der letzten Ausgabe dieses Newsletters abhaken könnte, aber ganz ehrlich, damit habe ich mich nur selbst belogen: Ich arbeite an einem ausführlicheren Text über Substacks Twitter-Klon, in dem ich unter anderem werde ich darin auch auf dieses Interview mit Substack-CEO Chris Best eingehen, das einiges über das Mindset der Substack-Macher offenbart und mich in meinem Misstrauen gegenüber Notes und Substack allgemein bestätigt. Ich lasse das erstmal so stehen, mehr dazu dann voraussichtlich im Laufe der Woche.

Bis dahin, wie immer: Danke fürs Lesen!


Tags
mail

Date
April 17, 2023